Romanum / Rom*
Allgemeines Konzil; 1241 (Ostern 1241)*
Im Zuge der erbittert geführten Auseinandersetzungen mit dem gebannten Kaiser Friedrich II. (20./24. März 1239) lud Papst Gregor IX. am 9. August 1240 zu einem allgemeinen Konzil nach Rom (ad nostram praesentiam … venire) ein. Man darf diese Versammlung als eine Art Replik auf das Vorgehen des Kaisers ansehen, der zuvor damit gedroht hatte, eine Appellation gegen seine Bannung auf einem von den Kardinälen einzuberufenden Konzil einzulegen.
Als Eröffnungstermin bestimmte der Papst das Osterfest 1241 (31. März). Allerdings wurden in den Einladungsschreiben vom 8. August 1240 die Termini concilium oder synodus für diese Versammlung – aus politischen Erwägungen heraus – sorgfältig vermieden. Stattdessen lud Gregor einige kirchliche Prälaten und weltliche Fürsten zu sich ein, um, wie er schrieb, mit ihnen drängende Angelegenheiten der Kirche besprechen zu wollen. Der Begriff concilium wird erst im zweiten Schreiben vom 15. Oktober und auch nur in der Fassung an die weltlichen Adressaten aufgegriffen; außerdem ist darin mehrfach von der ecclesia universalis bzw. generalis die Rede. Dass es auf dieser Zusammenkunft vor allem um die Absetzung des Kaisers gehen sollte, dürfte jedem klar gewesen sein. Die Auswahl der Eingeladenen war offensichtlich sorgfältig geplant, so dass – wie der Kaiser nicht ganz falsch vermutete – ausschließlich dessen Feinde eingeladen worden waren. Insofern bestand für ihn auch kein Zweifel an der zu erwartenden Entscheidung des Konzils.
Soweit zu erkennen, richteten sich die Einladungen vor allem an die Metropoliten, aber auch an ausgewählte Bischöfe und Äbte in Frankreich, Spanien und Oberitalien, wobei sich die Auswahlprinzipien nur bedingt erschließen lassen. Dies gilt noch stärker für die im Herrschaftsbereich des Kaisers amtierenden Prälaten; ihre Bezeichnung als excommunicati mit den daraus erwachsenden Konsequenzen ist ein bisher noch ungelöstes Interpretationsproblem. Einladungsschreiben ergingen ebenso an weltliche Adressaten, die anders als die Prälaten sich durch Gesandte vertreten lassen konnten. Aufgrund der einseitigen und wenig transparenten Auswahlkriterien sprachen die Gegner der Versammlung dieser ihre Ökumenizität ab.
Friedrich II. versuchte den Zusammentritt des Konzils konsequent zu boykottieren. So ließ er veröffentlichen, dass er den Anreisenden keinen Schutz gewähren würde und sie an der Anreise mit allen Mitteln hindern wolle. Eine vom Papst finanzierte Genueser Flotte von rund 30 Schiffen, die die Konzilsteilnehmer aus Westeuropa vermutlich nach Civitàvecchia bringen sollte, fuhr bereits in Nizza mit Verspätung los, nachdem zuvor einige Prälaten – wohl aus Furcht um die eigene Sicherheit – auf ihre Mitreise verzichtet und lediglich Prokuratoren mitgeschickt hatten. Von der ligurischen Hafenstadt aus erfolgte der endgültige Aufbruch erst am 25. April. Vor der toskanischen Küste nahe der Insel Montecristo wurden die Genueser Schiffe am 3. Mai von der kaiserlich-sizilischen Flotte aufgebracht und in einer Seeschlacht schwer geschlagen. Ein kleinerer Teil der Genueser Flotte wurde versenkt, unter den Opfern war u.a. der Erzbischof von Besançon. 22 Schiffe wurden gekapert, wohl um die hundert Passagiere, darunter die beiden Kardinäle Giacomo da Pecorara und Otto da Tonengo, mehrere (Erz-)Bischöfe und Äbte sowie die Gesandten Mailands, Brescias und Piacenzas festgenommen, zuerst nach Pisa, dann nach Süditalien gebracht und dort zum Teil mehrere Jahre festgehalten. Nur wenigen Schiffen gelang die Flucht und eine Rückkehr nach Genua.
Das Ausbleiben der Teilnehmer verhinderte eine Eröffnung des bereits um einen Monat aufgeschobenen Konzils. Zudem führte der baldige Tod Gregor IX. (22. August 1241) dazu, dass die Konzilspläne zunächst nicht weiterverfolgt wurden.
Obgleich das Konzil gar nicht erst eröffnet wurde, hatte es erhebliche Auswirkungen auf das vier Jahre später von Innozenz IV. einberufene Erste allgemeine Konzil von Lyon (1245). Der am 25. Juni 1243 gewählte Papst hatte aus den Fehlern seines Vorvorgängers gelernt und traf nun seinerseits umfangreiche Sicherungsmaßnahmen, damit das Konzil zusammentreten und die ihm gesetzten Aufgaben lösen konnte. Wichtigster Punkt war dabei die Festlegung eines Konzilsorts außerhalb des kaiserlichen Zugriffs und überdies zu gewährleisten, dass die Konzilsteilnehmer dessen Machtbereich auf ihrer Anreise nach Möglichkeit nicht durchqueren mussten. Die Absetzung des Kaisers stand weiterhin als dringlichste Aufgabe auf der Tagesordnung.
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QQ: [Einladungsschreiben] Reg. Grégoire III 389-402 Nrn. 5420-5634, MGH Epp. pont. I 679-683 Nr. 781 (8. August 1240); Reg. Grégoire III 403-418 Nrn. 5635-5885 (15. August 1240), ebd. III 417-420 Nrn. 5886, 5887 (26. Februar 1241); [Reaktion des Kaisers] MGH Const. II 317-322 Nrn. 233, 234; [zum Schiffstransport] Reg. Grégoire III 427-448, MGH Epp. pont. I 684-692, 697-702 Nrn. 784f., 791-793; Bartholomaei Scribae Annales. A. 1241, ed. G.H. Pertz, 1863 (MGH SS XVIII) 194 Z. 1-36; [zur Seeschlacht] ebd. 197 Z. 29-50; Vita Innocentii IV, cap. 3 (ed. A. Melloni, 1990, 260); Matthæus Parisiensis, Chronica maiora IV, ed. H.R. Luard, 1877 ND 1964, 125-130.
Lit.: George Campbell Macaulay, The Capture of a General Council, 1241, in: EHR 21 (1891) 1–17; Hans Wolter, Lyon I, in: Ders. – Henri Holstein, Lyon I/II, Mainz 1972 (frz. EA: Paris 1966), 32-38; Burkhart Roberg, Der Konzilsversuch von 1241, in: AHC 24 (1992) 286-319 [grundlegend]; Wolfgang Stürner; Friedrich II., Teil II: Der Kaiser 1220-1250, Darmstadt 2000, 498-502; Mona Kirsch, Das allgemeine Konzil im Spätmittelalter. Organisation – Verhandlungen – Rituale, Heidelberg 2016, 194-204; Ansgar Frenken, Kaiser Friedrich II. und sein Versuch, die Kardinäle gegen den Papst auszuspielen. Eine strategische Fehleinschätzung oder eine geschickte Option, um Handlungsspielraum für sich zurückzugewinnen?, in: ZSRG 139 KA 106 (2022) 1-64.
Frenken, Ansgar
April 2022
Empfohlene Zitierweise:
Frenken, Ansgar, “Romanum / Rom*: allgemeines Konzil; 1241 (Ostern 1241)" in: Lexikon der Konzilien [Online-Version], April 2022; URL: http://www.konziliengeschichte.org/site/de/publikationen/lexikon/database/4230.html