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Papiense-Senense / Pavia-Siena

Allgemeines Konzil; 1423 (21. April)  – 1424 (7. März)

 

Fünf Jahre nach Abschluss des Konstanzer Konzils trat die von Papst Martin V. gemäß dem Dekret Frequens am 19. April 1418 einberufene Synode im damals zum Mailänder Herrschaftsgebiet gehörenden Pavia zusammen, um die in Konstanz noch nicht erledigten Aufgaben, insbesondere die causa reformationis, weiterzuführen und die Auseinandersetzung mit den Hussiten zu einem Ende zu bringen.

     Vorbereitet durch eine Reihe von Provinzialsynoden sowie eine – allerdings erfolglos gebliebene – Legation nach Byzanz setzte langsam der Zuzug der Konzilsteilnehmer nach Pavia ein, wo die Synode am 21. April 1423 eröffnet wurde. Wie das vorangegangene Constantiense konstituierte sich auch diese Synode aus fünf Konzilsnationen (nationes). Die zum Besuch des Konzils Geladenen, die Bischöfe, Äbte, Vertreter der Kathedralkapitel und der Universitäten waren längst nicht alle der Einladung gefolgt. Insbe­sondere aus dem Reich waren nur wenige Prälaten erschienen, auch König Sigmund hatte keine Gesandtschaft nach Oberitalien geschickt. Da ein persönliches Erscheinen des Papstes ungewiss war, hatte dieser zur Leitung der Synode bereits ein Jahr zuvor, am 22. April 1422, vier Konzils­präsidenten bestellt, die er mit umfangreichen Vollmachten – darunter der zur Verlegung der Synode – ausstattete. Dadurch war indes der Kern für den späteren, das Konzil schließlich sprengenden Konflikt um die Machtverteilung zwischen Papst und Konzil bereits in nuce angelegt. Überschattet wurde die Versammlung zudem von Beginn an durch die fortwährenden Kämpfe um das Königreich Neapel, dass der aragonesische König Alfons V. für sich beanspruchte. Ein drohender Pestausbruch sowie das Verhalten des Aragonesen, der Pavia als Konzilsort aus Feindschaft zu Filippomaria Visconti, dem Herzog von Mailand, kategorisch ablehnte, führte am 22. Juni 1423 zur Verlegung der Synode nach Siena.

     Am 21.Juli 1423 wurde das Konzil in der toskanischen Stadt wiedereröffnet. Allerdings ließ die weiterhin stark gefährdete Lage des Kirchenstaats wie auch das Risiko, das sich für die Position des unter Martin V. wieder ge­festigten Papsttums aus der Wahl Clemens' VIII. (Gil Sanchez Munõz) am 10. Juni 1423 zum Nachfolger des schismatischen Benedikt XIII. (Pedro de Luna; † 30.5.1423) ergab, ein Erscheinen des Papstes auch in Siena nicht zu. Das Konzil trat auf der Stelle; die Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb der Nationen sowie den Konzilspräsidenten, was die Leitung des Konzils und Steuerung der Arbeit betraf – meist jedoch unter dem Deckmantel der angestrebten Reform geführt wurden – nahmen an Heftig­keit zu. Die inhaltliche Arbeit wurde darüber vernachlässigt und blieb in ihrem Ergebnis bescheiden (Dekrete vom 8. November 1423 gegen die Hussiten und die Schismatiker in Peñíscola sowie zur Aussichtslosigkeit, mit der Kirche des Ostens momentan eine Union herstellen zu können). Die vor allem in der erneuten Aufnahme der Diskussion um das Konstanzer Dekret Frequens durch die konziliaristisch gesinnte Opposition sichtbar werdende Gefährdung für die traditionelle Verfassungsstruktur der Kirche (Durch­setzung der Konzilssuperiorität) und insbesondere die unverhohlene Drohung mit einem neuen Schisma durch den aragonesischen König ließen Martin V. im Verein mit den Konzilspräsidenten und unterstützt von einer papstfreundlich gesinnten Gruppe unter den Konzilsteilnehmern das Konzil, zunächst unbemerkt, am 7. März 1424 auflösen, nachdem der Papst kurz zuvor Ort und Zeitpunkt der nächsten Synode (Basel 1431) hatte beschließen las­sen.

     Die ihm gestellten Aufgaben hat das Papiense-Senense zweifellos nicht erledigen können, insbesondere die Frage nach dem Verhältnis der Ge­walten in der Kirche, aber auch das nach wie vor drängende Thema einer grundlegenden Reform in capite et in membris harrten weiterhin einer Lösung. Die in den Konstanzer "Konkordaten” auf fünf Jahre festge­schriebene Reform der Pfründenvergabe wurde jedoch nicht verlängert, die Kurie kehrte zu ihren alten Praktiken zurück. Als sieben Jahren später das von Martin V. einberufene Konzil in Basel zusammentrat, sollten die ungelösten Streitfragen schließlich zum offenen Bruch zwischen Papst und Konzil führen.

     Abgesehen von den unmittelbaren Folgewirkungen auf Basel blieb das Nachwirken des Senense eher gering; am Stärksten zeigte die Konstitution der Leitung mit den mit umfangreichen Vollmachten ausgestatteten Präsi­denten in die Zukunft (⇾ Trient). Lange umstritten, wird man die Sieneser Synode heute aber als Ökumenisches Konzil betrachten müssen.

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QQ: Mansi XXVIII-XXIX; Monumenta Conciliorum generalium saeculi XV, W 1857, I 1-65; W. Brandmüller, Das Konzil von Pavia-Siena (1423-1424) II: Quellen, Ms 1974. - Dekrete: ebd. 20-28, jetzt maßgeblich: COGD II/1 631-658.

Lit.: H. Miller, Participation at the Council of Pavia-Siena 1423-1424, in: AHP 22 (1984) 389-406; C. Bianca, Martino V, in: Enciclopedia dei papi II, Roma 2000, 619-634; W. Brandmüller, Das Konzil von Pavia-Siena 1423/24 [= KonGe.D], Pb 2001 (mit erschöpfender Quellen- und Literaturübersicht); Ders., Il Concilio di Pavia-Siena, 1423-1424: verso la crisi del conciliarismo, Siena 2004 (= italien. Übersetzung); J. Miethke, Einleitung, in: Ders. – L. Weinrich (Hg.), Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien II: Die Konzilien von Pavia/Siena (1423/24), Basel (1431-1449) und Ferrara/Florenz (1438-1445), Da 2002 22014, 15-24; Th. Ferguson, The Council of Pavia-Siena and medieval conciliarism, in: Journal of religious history 25 (2001) 1-19; O. Villarroel González, Castilla y el Concilio de Siena (1423-1424). La embajada regia y su actuación, in: EspMed 30 (2007) 131-172; A. Cadili, Effects of Synodal Preaching at the Councils of Constance, Pavia-Siena, and Basel, in: M. G. Muzzarelli (Ed.), From Words to Deeds. The Effectiveness of Preaching in the Late Middle Ages, Turnhout 2014, 139-152. – LexMA 7 (1995) 342f. [J. Grohe]; LThK3 9 (2000) 573 [W. Brandmüller].

 

Frenken, Ansgar

August 2019

 

Empfohlene Zitierweise:

Frenken, Ansgar, “Papiense-Senense / Pavia-Siena: Allgemeines Konzil: 1423 (21. April)  – 1424 (7. März)" in: Lexikon der Konzilien [Online-Version], August 2019; URL: http://www.konziliengeschichte.org/site/de/publikationen/lexikon/database/3391.html